„Mähtod“ – Wildtierverluste durch Landwirtschaft
Etwa fünf Millionen Hektar Fläche werden in Deutschland als Grünland von der Landwirtschaft genutzt. Diese Flächen besitzen neben ihrem ökonomischen Wert für den Landwirt auch eine herausragende ökologische Funktion, da sie wertvollen Lebensraum für Wildtiere in der Agrarlandschaft darstellen.
Jährlich werden während der Mahd zahlreiche Wildtiere verletzt oder getötet (Schätzungen reichen bis zu 500.000 Tieren), da der günstigste Mahdtermin in der Futterwirtschaft in den Zeitraum der Jungenaufzucht zahlreicher an diese Lebensräume gebundenen Tierarten fällt.
Um auf die verheerenden Wildtierverluste aufmerksam zu machen, wurde die Broschüre „Mähtod-Wildtierverluste durch Landwirtschaft“ entwickelt. Landwirten, Jägern und anderen Naturschützern erläutert dieser Ratgeber praxisrelevante Methoden, um die Verluste an Wildtieren zu reduzieren.
War der Mähtod bisher nur Gegenstand der klassischen Grünlandnutzung, wird er aktuell auch immer mehr zu einem Thema auf den Flächen, die das Substrat für die Erzeugung von Biogas liefern. Eine Prognose des deutschen Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz besagt, dass die Flächengröße von Energiepflanzen bis 2020 auf das 2-3 Fache ansteigen wird, was eine starke Zunahme der Wildtierverluste auch im Energiepflanzenanbau bedeuten wird. Für eine hohe Zahl von Arten des Offenlandes werden sich die Verluste höchstwahrscheinlich bestandsgefährdend auswirken.
Die Auseinandersetzung mit dem Thema „Mähtod“ verlangt umfassende Ansätze. Der vorliegende „Praxisratgeber Mähtod“ fasst die zur Zeit angewandten Methoden und praktischen, erfolgversprechenden Maßnahmen zusammen. Im folgenden finden Sie einige Auszüge aus der Broschüre.
Die Broschüre „Mähtod-Wildtierverluste durch Landwirtschaft“ steht auch als Download für Sie bereit.[/vc_column_text][vc_accordion collapsible=“yes“][vc_accordion_tab title=“Betroffene Wildtiere“][vc_column_text]Grünland dient unzähligen Wildtierarten als Nahrungs-, Deckungs- und Reproduktionshabitat. Der frühen und häufigen Mahd fallen neben jungen Feldhasen, Rehkitzen und diversen Wiesenbrütern auch Kleinsäuger, Amphibien und Insekten zum Opfer. Ehemals erfolgversprechende Überlebensstrategien, die sich über jahrtausende bewährt haben, wirken sich bei der Mahd verheerend aus – das bewegungslose Ausharren der brütenden Rebhenne und das regungslose Verharren als Schutzverhalten bei Hase und Rehkitz werden diesen zum Verhängnis. Das durch die Evolution optimierte Feindvermeidungsverhalten bei Wildtieren kann mit den Entwicklungen in der Landbewirtschaftung nicht mehr mithalten.
Durch die Mähwerke und die Reifen der Traktoren verzeichnen die Bestände gerade der Wiesenbrüter signifikante Verluste. Vor allem bei inzwischen hochgradig gefährdeten Arten wie dem Großen Brachvogel, der Uferschnepfe, dem Kiebitz oder der Wiesenweihe ist jedes ausgemähte Gelege ein herber Verlust für das langfristige Überleben dieser Arten.
Das quantitative Ausmaß an Wildtierverlusten durch die Mahd von Grünland lässt sich schwer beziffern. Allein in Deutschland wird der Umfang der Wildtierverluste durch die Grünlandbewirtschaftung konservativ auf 500.000 Individuen geschätzt, davon ca. 90.000 Rehkitze.
Abbildung: Hauptgefährdungszeiten einzelner Tierarten (zum Vergrößern bitte anklicken)
Der wichtigste Einflussfaktor auf die Höhe der getöteten Wildtiere ist mit Sicherheit der Mahdtermin. Dieser ist aber auch aus wirtschaftlichen Erwägungen für den Landwirt entscheidend. Ein später Mahdtermin ist gut für die Tierwelt, aber schlecht für Erntemenge und –qualität. Doch auch andere Faktoren bieten bei der Mahd von Grünland Ansatzpunkte für die Reduzierung der Wildtierverluste:
- Schnitthöhe: je höher der Schnitt, desto geringer sind Verluste bei sich drückenden Tieren und brütendenVögeln
- Mahdrichtung: Mahd der Wiese von innen nach außen bietet ausgewachsenen Wildtieren die Möglichkeit zur Flucht
- Schnittzeitpunkt: späte Schnitte – ab Mitte Juli – vermindern die Verluste von Wildtieren in der Brut- und Aufzuchtsphase
- Mahdstrategie: Mähen von Teilstücken, Mosaikmahd, Randstreifen ungemäht lassen
- Mahdfrequenz: ein größerer Abstand zwischen erstem und zweitem Mahdtermin erhöht die Chancen für die Zweitgelege und verringert die Mortalitätsrate bei Bodenbrütern
- Mähtechnologie: Messerbalkenmähwerke verursachen weniger tote Wildtiere als Kreiselmäher
In der Regel führt eine wildtierschonende Grünlandbewirtschaftung zu geringeren Erträgen und Bewirtschaftungserschwernissen. Um diese Ertragseinbußen auszugleichen, wurden vor über 15 Jahren in einigen europäischen Staaten Vertragsnaturschutzprogramme eingeführt. Auf freiwilliger Basis werden Landwirte honoriert, wenn sie das Grünland nicht so oft mähen oder die Mahd später im Jahr durchführen. Dieser Ansatz hat aufgrund eingeschränkter Finanzmittel bisher keine flächendeckende Wirkung und zielt oft auf seltene Zielarten in ausgesuchten räumlichen Kulissen. Für alle Länder Europas ist eine deutliche Ausweitung des Vertragsnaturschutzes im Grünlandbereich zu fordern. Nur über eine angemessene Entschädigung der Landwirte für Ertragsaufälle kann eine breite Wirkung für den Arten- und auch Tierschutz erzielt werden.
Mähgut liegenlassen: Nach der Mahd suchen viele zuvor im Bestand lebende Wildtiere Schutz. Es empfiehlt sich hierfür das Mähgut einige Tage auf der gemähten Fläche zu belassen, denn so können besonders Amphibien unter und zwischen dem Mähgut Schutz vor Fressfeinden und extremer Sonnenstrahlung suchen. Darüber hinaus haben die Tiere so mehr Zeit sich in eine andere Fläche zurückzuziehen.
Randstreifen schaffen: Darüber hinaus sollten bei Flächen, die größer als 0,5 Hektar sind, ungemähte mindestens 6 m breite Randstreifen oder alternierend gemähte Streifen als Rückzugsräume für Wildtiere geschaffen werden.
Mosaikmahd: Bei großen und sehr großen Flächen sollte eine gestaffelte Mahd erfolgen. Hierzu wird der Schlag in kleinere Parzellen unterteilt, die dann zu unterschiedlichen Zeiten gemäht werden. So entsteht ein Mosaik aus gemähten und ungemähten Flächen, in letztere können sich die Tiere zurückziehen und auf den Wiederaufwuchs der gemähten Bereiche warten. Beim nächsten Schnitt werden nun die Altgrasflächen mitgemäht und rotationsgemäß werden andere Flächen bzw. Streifen stehengelassen. Die ungemähten Bereiche sind Ausgangspunkt für eine Wiederbesiedlung. Darüber hinaus bieten die stehen gelassenen Altgrasbestände nach der letzen Mahd im Jahr einen wichtigen Winterlebensraum für unzählige Tierarten.
Es ist derzeit noch sehr aufwändig mit den bisher bekannten Methoden Kitze effektiv zu finden und zu retten, sodass jährlich alleine in Deutschland rund 100.000 Jungtiere zu Zeiten der Mahd tödlich verletzt werden.
Vor dem Hintergrund dieser Problematik wurde das Projekt WILDRETTER ins Leben gerufen, das vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung gefördert wird.
Ziel ist die Entwicklung eines zuverlässigen Anwendungssystems zur Kitzrettung beim Mähen landwirtschaftlicher Flächen.
Unter der Führung der i_s_a_ Industrieelektronik GmbH arbeitet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Landtechnikunternehmen CLAAS und die Technische Universität München zusammen. Das Verbundprojekt wird durch den Landesjagdverband Bayern unterstützt, die Projektabwicklung von der ZENTEC GmbH übernommen. Am 31. Mai 2012 wurden die Förderbescheide durch die damalige Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse Aigner, überreicht.