Aktionswoche Artenvielfalt - Wildpflanzen als Biogassubstrat schützen Bienen und Bauern

Alternative Energiepflanzen helfen Bienen und Bauern – Deutscher Imkerbund beteiligt sich an Aktionswoche Artenvielfalt

Artenvielfalt und Biogas sind kein Widerspruch. Im Gegenteil: die Biogasnutzung bietet die große Chance, dass unsere Felder langfristig wieder bunter und artenreicher werden und gleichzeitig ein wertvoller Lebensraum für unsere Wildtiere und Insekten geschaffen wird. Genau das will der Fachverband Biogas e.V. in der Aktionswoche Artenvielfalt gemeinsam mit vielen anderen Verbänden und Organisationen in diesem Jahr vom 29. Juni bis 3. Juli deutlich machen.

Auch der Deutsche Imkerbund e.V. (D.I.B.), mit rund 128.000 organisierten Imker*innen der mitgliederstärkste europäische Bienenzüchterverband, beteiligt sich an der Aktion, die unter dem Motto #blühendesleben steht.

Lange hat sich die Landwirtschaft auf ausgewählte Einzelkulturen, hier vorrangig Mais, zur Biomassegewinnung fixiert. Dabei sind abwechslungsreiche Fruchtfolgen nicht nur ökologisch die bessere Wahl. D.I.B.-Präsident Torsten Ellmann merkt an: „Biogas ist nicht gleichbedeutend mit Maisanbau, denn dieser liefert unseren Bienen keinen Nektar und nur in geringem Maße Pollen. Es gibt eine ganze Reihe alternativer Energiepflanzen, deren Anbau nicht nur eine lebensnotwendige Nahrungsquelle für Wild- und Honigbienen ist und die Biodiversität fördert, sondern Landwirten Nachhaltigkeit, Bodenfruchtbarkeit und gute Erträge garantiert.“

Seit vielen Jahren setzt sich der D.I.B. für die Nahrungsverbesserung von Blüten besuchenden Insekten ein. Denn besonders in den Monaten Juli bis September finden diese im ländlichen Raum durch geänderte Flächennutzung zu wenig vielfältige, pollen- und nektarreiche Nahrung. „Für Wildbienen stellen diese Trachtlücken eine existenzielle Bedrohung dar. Den Honigbienen können wir Imker mit einer Zufütterung helfen – die Pollenarmut und die damit fehlende Eiweißversorgung lässt sich dadurch aber nicht ausgleichen“, erklärt Ellmann.

Man sucht deshalb nach geeigneten Pflanzen, die nicht nur Blüten besuchenden Insekten Nahrung verschaffen, sondern deren Anbau auch für Energiewirte wirtschaftlich ist. „Wir wissen, dass Landwirte von ihren Erträgen leben müssen. Deshalb sind solche Alternativen am geeignetsten, die beiden Seiten helfen“, sagt Ellmann.

Schon lange sind Wildpflanzenmischungen in erfolgreicher Erprobung. Sie zeichnen sich durch eine besonders hohe ökologische Bilanz aufgrund der Mehrjährigkeit und der Artenvielfalt aus. Sie verbessern aufgrund der langen Blühzeit nicht nur das Habitatangebot für Wildbienen und die Nahrungssituation für eine Vielzahl von Insekten, sondern bieten sowohl im Sommer als auch im Winter Nahrung und Deckung für Niederwild, Singvögel und Kleinsäuger. Aufgrund der klimatischen Veränderungen werden auch spätblühende, trockenresistente „Prärie-Pflanzen“, wie z. B. Sonnenhut und Sonnenbraut, immer interessanter, die auch bei geringem Niederschlag wachsen und Nektar und Pollen liefern.

Die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim geht im Projekt „Energie aus Wildpflanzen“ bereits seit 2008 der Frage nach, ob neben dem hohen ökologischen Wert Wildpflanzen als Energielieferanten auch eine ökonomische Alternative für den Biogasanlagenbetreiber darstellen. Betrachtet man allein den Methanhektarertrag, so können Wildpflanzen nicht mit Mais konkurrieren, da dieser in kurzer Zeit erheblich mehr Biomasse bildet. Auch sind Wirtschaftlichkeitsberechnungen standortabhängig unterschiedlich zu bewerten. Fest steht aber, dass bei Wildpflanzenmischungen auf chemische Pflanzenschutzmittel weitestgehend verzichtet werden kann und ab dem zweiten Standjahr keine mechanische Bodenbearbeitung mehr durchgeführt werden muss. Außerdem verbessert die ganzjährige Bewurzelung des Oberbodens die Humusbilanz, der Bodenabtrag durch Erosion und die Bodenverdichtung werden reduziert und die Bodenfeuchte gehalten. Mehrjährige Wildpflanzenkulturen bieten zudem ein hohes Potential zur Stickstoffbindung. Daneben werten die Blühpflanzen das Landschaftsbild auf und ermöglichen einen Imagegewinn für die Landwirtschaft.

Ellmann: „Trägt ein Landwirt zum Naturschutz und Artenerhalt bei, so ist dies eine öffentliche Leistung, die honoriert werden sollte. Eine solche Förderung würde Ertragsverluste, die durch derartige, umweltschonende Anbausysteme entstehen, ausgleichen. Dies ist eine Forderung in unserem Positionspapier zur Gemeinsamen EU-Agrarpolitik.“

Artenvielfalt - Gartenhummel (Bombus hortorum) auf Wildpflanzenacker zur Biogasproduktion

Aktionswoche Artenvielfalt – passen Biogas und Biodiversität zusammen?

Biogas und Artenvielfalt – passt das zusammen?

Diese Frage würden viele Menschen spontan wahrscheinlich mit einem klaren „Nein“ beantworten. Denn in den meisten Köpfen hängt die Biogasproduktion untrennbar mit dem Anbau ökologisch wenig wertiger Monokulturen zusammen, man denke nur an den omnipräsenten Begriff der „Vermaisung“ der Landschaft. Wenn man in Betracht zieht, dass auf rund einer Million Hektar in Deutschland Mais für die Biomasseproduktion angebaut wird, scheint diese Annahme durchaus gerechtfertigt.

Doch die Bereitstellung von erneuerbarer Energie durch Biogasanlagen muss nicht zwangsläufig durch intensive Monokulturen erfolgen. Es gibt inzwischen zahlreiche Alternativen. Die ökologisch wertvollste Art der Biomasseproduktion eröffnet dabei die Nutzung mehrjähriger heimischer Wild- und Kulturpflanzenmischungen. Diese Mischungen liefern nicht nur einen ordentlichen Biomasseertrag, sondern sie haben gegenüber herkömmlichen Kulturen auch unzählige ökologische Vorteile. Sie bieten Insekten Nahrung und einen Lebensraum und auch Vögel und Säugetiere profitieren von den mehrjährigen Wildpflanzenflächen, denn Sie finden hier nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter Deckung und Nahrung. Gleichzeitig stärkt die mehrjährige Bodenruhe, die Wildpflanzenmischungen können nach der einmaligen Ansaat bis zu fünf Jahre beerntet werden, die Bodenfauna. Darüber hinaus sorgt der weitgehende Verzicht auf Pflanzenschutzmittel für eine reiche Artenvielfalt auf den Flächen.

Dass die Produktion von Biogas mit den Zielen des Arten- und Naturschutzes durchaus vereinbar ist, soll auch durch das deutschlandweit größte Projekt zur Etablierung mehrjähriger Wildpflanzenmischungen gezeigt werden. Das Gemeinschaftsvorhaben Bunte Biomasse der Veolia Stiftung, des Deutschen Jagdverbands e. V. und der Deutschen Wildtier Stiftung soll die Wildpflanzen deutschlandweit auf den Acker bringen. Die teilnehmenden Landwirte werden dabei kostenfrei von erfahrenen Experten beraten und erhalten unbürokratisch eine Ausgleichszahlung, denn die Wildpflanzen kommen nur auf rund 65 % der Methanausbeute der über Jahrzehnte optimierten Maiskulturen. Das Projekt findet deutschlandweit großen Anklang in der Landwirtschaft, im Naturschutz und der Jägerschaft.

Aktionswoche Artenvielfalt

Um darauf aufmerksam zu machen, dass die Produktion von Biomasse zur Biogasproduktion auch Hand in Hand mit dem Erhalt der Artenvielfalt gehen kann, hat der Fachverband Biogas vom 29. Juni bis zum 03. Juli 2020 die Aktionswoche Artenvielfalt ausgerufen. Über eigene Veranstaltungen und die sozialen Medien können sich Menschen deutschlandweit einbringen (#blühendesleben und #Biogas2030): Gefragt sind hier persönliche Erfahrungen und Aktionen zu alternativen Biogaskulturen sowie die Äußerung von Wünschen und Forderungen an die Politik.

Das Netzwerk Lebensraum Feldflur fordert, dass die politischen Entscheider für den Anbau der mehrjährigen Wildpflanzen zur Biogasproduktion Anreize schaffen, sodass sich dieses innovative und ökologisch wertvolle Anbausystem auf größerer Fläche etablieren kann. Denkbar wäre hier etwa eine Förderung im Rahmen des Greenings (wie bereits geschehen für die Durchwachsene Silphie), eine Aufnahme in die ländlichen Förderprogramme der Länder oder eine Förderung durch die EEG-Umlage. So könnten zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Eine erneuerbare, nicht fossile Energiegewinnung und der Schutz der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft.

Aktionswoche Artenvielfalt Fachverband Biogas

Ministerin Otte Kinast lobt Wildpflanzen-Projekt

Ministerin Otte-Kinast lobt Wildpflanzen-Projekt: Chance für Artenvielfalt, Grundwasserschutz und Bodenqualität

Große Chance für Artenvielfalt, Grundwasserschutz und Bodenqualität: Der Anbau von Wildpflanzen als Alternativkultur zum Mais für die energetische Nutzung in der Biogasanlage bietet nicht nur einen hohen ökologischen Mehrwert für die heimische Tierwelt, sondern zeigt auch positive Effekte auf die Grundwasserqualität. Zu diesem Ergebnis kommt das Forschungsprojekt „Nährstofffixierung mehrjähriger Wildpflanzen auf Praxisflächen in Niedersachsen“.  Die Landesjägerschaft Niedersachsen präsentierte die Abschlussergebnisse dieses Forschungsprojektes der Niedersächsischen Landwirtschaftsministerin, Barbara Otte-Kinast, heute in Syke.

„Das sind sehr vielversprechende Ergebnisse. Neben der Steigerung der Artenvielfalt, ist die Vermeidung von Stickstoffausträgen im Boden ein weiterer positiver Effekt, der für den Anbau dieser Wildpflanzenmischungen spricht,“ zeigte sich Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast erfreut. „Die Ergebnisse unserer beiden gemeinsamen Forschungsprojekte können innovative Ansätze für ein Gesamtkonzept zum Wohle von Artenvielfalt, Grundwasserschutzes und Bodenqualität liefern – dafür bin ich der Landesjägerschaft Niedersachsen sehr dankbar“, so die Ministerin weiter.

Verteilt auf neun Versuchsflächen im Raum Lingen, Syke, Bruchhausen-Vilsen und Wiefelstede, wurden in den Jahren 2017 bis Ende 2019 auf rund 25 ha Praxisfläche die Nährstoffgehalte im Boden, im Erntegut und in der Wurzelmasse untersucht. Unter anderem wurden in regelmäßigem Turnus Nmin-Messungen durchgeführt in die sowohl mehrjährig etablierte Wildpflanzenbestände als auch neu angelegte Flächen einbezogen wurden. Zu verschiedenen Zeiten der Vegetationsperiode stand dabei die Nährstoffausnutzung – insbesondere Nitrat – im Fokus, um deren Potenzial zur Stickstoffbindung zu ergründen. Mehrjährige Wildpflanzen, so eine der Kernaussage der Ergebnisse, setzten die zur Eigenversorgung benötigten moderaten Nährstoffmengen vollständig in Biomasse um und entzogen darüber hinaus dem Boden bis zum Vegetationsende Nitrat, was für eine verbesserte Qualität des Grundwassers sorgt.

„Wir sind von den Potenzialen der mehrjährigen Wildpflanzen absolut überzeugt: Sie fördern die Artenvielfalt und führen zu einer ökologischen Aufwertung der Feldflur – darüber hinaus sind sie in der Lage die Grundwasserqualität zu steigern“, so Josef Schröer, Stellvertretender Präsident der Landesjägerschaft Niedersachen. Um den Anbau dieser Dauerkulturen in Niedersachsen großräumiger zu etablieren, seien nun politischer Wille und finanzielle Förderanreize notwendig: „Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität und zur Reduzierung der Nährstoffausträge sind drängende aktuelle Fragen. Ein sehr vielversprechender Ansatz dabei kann der Anbau von Wildpflanzen zur Energiegewinnung sein“, so Schröer weiter.

Ergänzend zu den regelmäßigen Nmin-Beprobungen wurden in den Jahren 2018 und 2019 zudem Nitrattiefenprofile erstellt. Hierdurch konnten Auskünfte über die Nitratüberschüsse der vergangenen Jahre gewonnen werden – auch hier zeigte sich ein deutlicher Effekt: In Bodenschichten bis 90 cm Tiefe ohne Wildpflanzenanbau wurden durchschnittlich 127 mg Nitrat/l im Bodenwasser gemessen, wohingegen dieser Wert auf Flächen mit Wildpflanzenanbau mit 42 mg Nitrat/l deutlich niedriger lag. Auch ließ sich feststellen, dass unter Flächen, die mit mehrjährigen Wildpflanzen bestellt sind, keine Nitratverlagerung in tiefere Bodenschichten erfolgt. „Die Ergebnisse der Untersuchung geben deutliche Hinweise darauf, dass der Anbau von Wildpflanzen unter dem derzeit praktizierten Düngeregime zu einer Reduktion der Nitratausträge in das Grundwasser gegenüber der herkömmlichen Bewirtschaftung führt“, resümiert Andreas Rohde, vom Büro Ingenieurgemeinschaft für Landwirtschaft und Umwelt (IGLU), das mit Auswertung der Nitratflächenprofile beauftragt war.

Der Anbau von Wildpflanzen verbessert die Biodiversität auf landwirtschaftlichen Nutzflächen durch die mehrjährige Vielfalt an Pflanzenarten. Mit ihren unterschiedlichen Blühzeitpunkten bieten sie fast während der gesamten Vegetationsperiode Insekten, Bienen, Feldvögeln und anderen Wildtieren einen dauerhaften Lebens-, Nahrungs- und Rückzugsraum – und sorgen für eine dauerhafte Flächenbegrünung – ein deutlicher Vorteil gegenüber Mais. Bei der Beerntung bieten die Methanerträge allerdings je Hektar ein niedrigeres Ertragsniveau im Vergleich zur Maissilage. Dass es in Anbetracht des ökologischen Mehrwerts sinnvoll ist hier eine Ausgleichsregelung zu schaffen, verdeutlicht 3N-Geschäftsführerin Dr. Marie-Luise Rottmann-Meyer an einem praktischen Rechenbeispiel: „Bereits 1 ha Wildpflanzen liefert ein Jahr lang den Strom für fast zweieinhalb 4-Personen-Haushalte“.

Beim Ansatz, Wildpflanzen zur Energiegewinnung wissenschaftlich zu fundieren und deren Chancen und Potenziale transparent zu machen, ist Niedersachsen bundesweit führend: In einem ersten gemeinsamen Projekt der Landesjägerschaft Niedersachsen und dem Land Niedersachsen in Kooperation mit dem 3N Kompetenzzentrum Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie e.V und dem Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung an der Tierärztlichen Hochschule Hannover wurden in den Jahren 2013 bis 2016 bereits die ökologischen und ökonomischen Effekte des Anbaus von Wildpflanzen zur Energiegewinnung untersucht. Beide Projekte wurden mit je 150.000 € mit Mitteln des Landes Niedersachsen finanziell gefördert. Intensiv ackerbaulich betreut werden die Wildpflanzenflächen von Dipl. Ing. Agrar Johann Högemann aus der Jägerschaft Lingen e.V.

Den Abschlussbericht des Forschungsprojekts finden Sie hier

Die Ergebnisse untermauern das hohe Potenzial der Wildplfanzenmischungen für den Grundwasser- und Bodenschutz. Im Rahmen des Projektes Bunte Biomasse, das deutschlandweit den Anbau von Wildpflanzenmischungen zur Biomasseproduktion voranbringt, wurde mit der Gemeinde Rimpar in Bayern bereits eine Kooperation gestartet, um die Wasserqualität zweier Brunnen zu verbessern. Dieses Beispiel könnte nun deutschlandweit, nicht nur in Regionen mit hoher Viehdichte oder in Wasserschutzgebieten, Nachahmer finden.