Die Energieproduktion aus Biomasse kann im Gegensatz zu anderen erneuerbaren Energien wie Windkraft und Photovoltaik einen echten Beitrag für mehr Artenschutz in unseren Feldfluren liefern – mit Biogas aus mehrjährigen, ertragreichen Wildpflanzenmischungen als Alternative zum Mais.
Chancen von Biogas aus Wildpflanzen
2020 wurden deutschlandweit über 2,7 Mio. Hektar Mais angebaut, knapp 1 Mio. davon für die Produktion von Biogas. Der Mais ist dadurch nicht nur hinter dem Winterweizen die derzeit am häufigsten angebaute landwirtschaftliche Kultur, sondern auch unsere mit Abstand häufigste Energiepflanze.
Gleichzeitig hat das Artensterben in der Feldflur dramatische Ausmaße angenommen. Europaweit geht man von einem Rückgang aller Feldvögel um 56 Prozent seit den 1980-Jahren aus. Immer größere Ackerschläge und der Verlust von Strukturelementen wie Altgrasstreifen und Hecken fallen dabei mehr ins Auge als der Einsatz hochwirksamer Pestizide oder der immer intensivere Anbau von immer weniger Kulturen.
Der Verlust der Kulturartenvielfalt geht Hand in Hand mit dem Verlust der Biologischen Vielfalt!
Um die Artenvielfalt in unseren intensiv genutzten Agrarlandschaften wieder zu erhöhen, ist eine Vielfalt der Kulturen und Strukturen unverzichtbar. Die Produktion von Biomasse ist dabei eine Chance: Anders als bei der Nahrungs- und Futtermittelproduktion eröffnet sie die Möglichkeit, unterschiedlichste Pflanzenarten und -sorten in Reinsaat und in Mischung anzubauen und den gesamten Aufwuchs zur Vergärung in der Biogasanlage zu nutzen. Ertragreiche, mehrjährige Wildpflanzenmischungen bieten innovative Ansätze, mit denen die Energieerzeugung aus Biomasse gleichzeitig die Ziele des Landschafts-, Gewässer- und Artenschutzes verfolgen kann:
- Das vielfältige Blütenangebot und die für landwirtschaftliche Kulturen lange Blühzeit bis Ende Juli/ Mitte August verbessern das Habitatangebot und die Nahrungssituation für eine Vielzahl von Insekten, inklusive Wildbienen und Schmetterlingen.
- Mehrjährige Mischungen bieten im Sommer wie im Winter Nahrung und Deckung für Niederwild, Singvögel und Wintergäste.
- Auf chemische Pflanzenschutzmittel kann weitestgehend verzichtet werden.
- Ab dem 2. Standjahr findet keine mechanische Bodenbearbeitung mehr statt wodurch Bodenbrüter und Jungtiere geschützt werden.
- Die ganzjährige Bewurzelung des Oberbodens verbessert die Humusbilanz, vermindert den Bodenabtrag durch Erosion, erhält die Bodenfeuchte und beugt der Bodenverdichtung vor.
- Mehrjährige Wildpflanzenkulturen bieten ein hohes Potential zur Stickstoffbindung und tragen dadurch vor allem in den Veredelungsregionen zum Gewässerschutz bei.
- Blühmischungen werten das Landschaftsbild auf, erhöhen den Erholungswert einer Region und ermöglichen einen Imagegewinn für die Landwirtschaft und ihre Akteure.
Von der Randerscheinung zum Mainstream
Der Anbau von mehrjährigen Wildpflanzen als Substrat für Biogasanlagen ist eine aus Sicht des Naturschutzes ganz wesentliche Strategie, um den Verlust der Biodiversität in den Agrarlandschaften zu stoppen und den Maisanbau zu begrenzen. Die Bundesregierung hat dies im Jahr 2018 erkannt und im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD die Erhöhung des Einsatzes von Blühpflanzen in Bioenergieanlagen explizit als Ziel erwähnt.
„… Den Bestand von Bioenergieanlagen wollen wir im Zuge der Ausschreibungen weiterentwickeln. Die Reststoffverwertung werden wir verstärken und den Einsatz von Blühpflanzen erhöhen.“
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD 2018; 19. Legislaturperiode
Eine sinnvolle und schnell umsetzbare Möglichkeit wäre eine Änderung des GAK-Rahmenplans zur Nutzung des Aufwuchses von Blühflächen. Die Maßnahme wäre auch ein Beitrag zu einer sich stärker am Arten- und Naturschutz orientierenden Energiewende.
Bei einer gemeinsamen Umfrage des Netzwerks Lebensraum Feldflur und dem Projekt GrünSchatz der Universität Münster waren die „Erhöhung der Artenvielfalt“, der „Imagegewinn für die Landwirtschaft“ und die „Schaffung von Lebensräumen für das Niederwild“ die Hauptgründe dafür, dass Landwirte Wildpflanzenmischungen zur Biomasseproduktion anbauen. Außerdem zeigte sich, dass Landwirte durchaus bereit sind, Mais in einem kleineren Umfang auch ohne eine finanzielle Honorierung durch mehrjährige Wildpflanzenkulturen zu ersetzen. Doch damit die Anbaufläche, die bisher im wahrsten Sinne des Wortes eher als Randerscheinung auf Grenzertragsstandorten oder schlecht zu bewirtschaftenden Restflächen zu finden ist, einen signifikanten Anteil an den angebauten Energieträgern einnimmt, braucht es agrarpolitischen Rückenwind für Energie aus Wildpflanzen. Durch weitere Forschung zur Erhöhung der Biomasseerträge und der Methanausbeute des Wildpflanzensubstrats und eine angemessene Honorierung ihres Engagements für die Biologische Vielfalt besteht eine große Chance, Landwirte für den Anbau von „Energie aus Wildpflanzen“ zu gewinnen und damit den Anteil von Blühflächen in der intensiv genutzten Feldflur spürbar zu erhöhen.