Große Chance für Artenvielfalt, Grundwasserschutz und Bodenqualität: Der Anbau von Wildpflanzen als Alternativkultur zum Mais für die energetische Nutzung in der Biogasanlage bietet nicht nur einen hohen ökologischen Mehrwert für die heimische Tierwelt, sondern zeigt auch positive Effekte auf die Grundwasserqualität. Zu diesem Ergebnis kommt das Forschungsprojekt „Nährstofffixierung mehrjähriger Wildpflanzen auf Praxisflächen in Niedersachsen“. Die Landesjägerschaft Niedersachsen präsentierte die Abschlussergebnisse dieses Forschungsprojektes der Niedersächsischen Landwirtschaftsministerin, Barbara Otte-Kinast, heute in Syke.
„Das sind sehr vielversprechende Ergebnisse. Neben der Steigerung der Artenvielfalt, ist die Vermeidung von Stickstoffausträgen im Boden ein weiterer positiver Effekt, der für den Anbau dieser Wildpflanzenmischungen spricht,“ zeigte sich Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast erfreut. „Die Ergebnisse unserer beiden gemeinsamen Forschungsprojekte können innovative Ansätze für ein Gesamtkonzept zum Wohle von Artenvielfalt, Grundwasserschutzes und Bodenqualität liefern – dafür bin ich der Landesjägerschaft Niedersachsen sehr dankbar“, so die Ministerin weiter.
Verteilt auf neun Versuchsflächen im Raum Lingen, Syke, Bruchhausen-Vilsen und Wiefelstede, wurden in den Jahren 2017 bis Ende 2019 auf rund 25 ha Praxisfläche die Nährstoffgehalte im Boden, im Erntegut und in der Wurzelmasse untersucht. Unter anderem wurden in regelmäßigem Turnus Nmin-Messungen durchgeführt in die sowohl mehrjährig etablierte Wildpflanzenbestände als auch neu angelegte Flächen einbezogen wurden. Zu verschiedenen Zeiten der Vegetationsperiode stand dabei die Nährstoffausnutzung – insbesondere Nitrat – im Fokus, um deren Potenzial zur Stickstoffbindung zu ergründen. Mehrjährige Wildpflanzen, so eine der Kernaussage der Ergebnisse, setzten die zur Eigenversorgung benötigten moderaten Nährstoffmengen vollständig in Biomasse um und entzogen darüber hinaus dem Boden bis zum Vegetationsende Nitrat, was für eine verbesserte Qualität des Grundwassers sorgt.
„Wir sind von den Potenzialen der mehrjährigen Wildpflanzen absolut überzeugt: Sie fördern die Artenvielfalt und führen zu einer ökologischen Aufwertung der Feldflur – darüber hinaus sind sie in der Lage die Grundwasserqualität zu steigern“, so Josef Schröer, Stellvertretender Präsident der Landesjägerschaft Niedersachen. Um den Anbau dieser Dauerkulturen in Niedersachsen großräumiger zu etablieren, seien nun politischer Wille und finanzielle Förderanreize notwendig: „Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität und zur Reduzierung der Nährstoffausträge sind drängende aktuelle Fragen. Ein sehr vielversprechender Ansatz dabei kann der Anbau von Wildpflanzen zur Energiegewinnung sein“, so Schröer weiter.
Ergänzend zu den regelmäßigen Nmin-Beprobungen wurden in den Jahren 2018 und 2019 zudem Nitrattiefenprofile erstellt. Hierdurch konnten Auskünfte über die Nitratüberschüsse der vergangenen Jahre gewonnen werden – auch hier zeigte sich ein deutlicher Effekt: In Bodenschichten bis 90 cm Tiefe ohne Wildpflanzenanbau wurden durchschnittlich 127 mg Nitrat/l im Bodenwasser gemessen, wohingegen dieser Wert auf Flächen mit Wildpflanzenanbau mit 42 mg Nitrat/l deutlich niedriger lag. Auch ließ sich feststellen, dass unter Flächen, die mit mehrjährigen Wildpflanzen bestellt sind, keine Nitratverlagerung in tiefere Bodenschichten erfolgt. „Die Ergebnisse der Untersuchung geben deutliche Hinweise darauf, dass der Anbau von Wildpflanzen unter dem derzeit praktizierten Düngeregime zu einer Reduktion der Nitratausträge in das Grundwasser gegenüber der herkömmlichen Bewirtschaftung führt“, resümiert Andreas Rohde, vom Büro Ingenieurgemeinschaft für Landwirtschaft und Umwelt (IGLU), das mit Auswertung der Nitratflächenprofile beauftragt war.
Der Anbau von Wildpflanzen verbessert die Biodiversität auf landwirtschaftlichen Nutzflächen durch die mehrjährige Vielfalt an Pflanzenarten. Mit ihren unterschiedlichen Blühzeitpunkten bieten sie fast während der gesamten Vegetationsperiode Insekten, Bienen, Feldvögeln und anderen Wildtieren einen dauerhaften Lebens-, Nahrungs- und Rückzugsraum – und sorgen für eine dauerhafte Flächenbegrünung – ein deutlicher Vorteil gegenüber Mais. Bei der Beerntung bieten die Methanerträge allerdings je Hektar ein niedrigeres Ertragsniveau im Vergleich zur Maissilage. Dass es in Anbetracht des ökologischen Mehrwerts sinnvoll ist hier eine Ausgleichsregelung zu schaffen, verdeutlicht 3N-Geschäftsführerin Dr. Marie-Luise Rottmann-Meyer an einem praktischen Rechenbeispiel: „Bereits 1 ha Wildpflanzen liefert ein Jahr lang den Strom für fast zweieinhalb 4-Personen-Haushalte“.
Beim Ansatz, Wildpflanzen zur Energiegewinnung wissenschaftlich zu fundieren und deren Chancen und Potenziale transparent zu machen, ist Niedersachsen bundesweit führend: In einem ersten gemeinsamen Projekt der Landesjägerschaft Niedersachsen und dem Land Niedersachsen in Kooperation mit dem 3N Kompetenzzentrum Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie e.V und dem Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung an der Tierärztlichen Hochschule Hannover wurden in den Jahren 2013 bis 2016 bereits die ökologischen und ökonomischen Effekte des Anbaus von Wildpflanzen zur Energiegewinnung untersucht. Beide Projekte wurden mit je 150.000 € mit Mitteln des Landes Niedersachsen finanziell gefördert. Intensiv ackerbaulich betreut werden die Wildpflanzenflächen von Dipl. Ing. Agrar Johann Högemann aus der Jägerschaft Lingen e.V.
Den Abschlussbericht des Forschungsprojekts finden Sie hier
Die Ergebnisse untermauern das hohe Potenzial der Wildplfanzenmischungen für den Grundwasser- und Bodenschutz. Im Rahmen des Projektes Bunte Biomasse, das deutschlandweit den Anbau von Wildpflanzenmischungen zur Biomasseproduktion voranbringt, wurde mit der Gemeinde Rimpar in Bayern bereits eine Kooperation gestartet, um die Wasserqualität zweier Brunnen zu verbessern. Dieses Beispiel könnte nun deutschlandweit, nicht nur in Regionen mit hoher Viehdichte oder in Wasserschutzgebieten, Nachahmer finden.